Totengedenken auf der Kriegsgräberstätte Riesenbecker Berg am 17.11.2023

Auszüge aus dem Blogbeitrag der Stadtbibliothek Ibbenbüren zur Gedenkfeier der Gemeinschaftshauptschule Ibbenbüren an der Kriegsgräberstätte „Riesenbecker Berg“ am 17. November 2023
 
Nach der Begrüßung der Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen der Gemeinschaftshauptschule Ibbenbüren, der stellvertretenden Bürgermeisterin Angelika Wedderhoff, der städt. Schuldezernentin Brigitte Janz, des Schulleiters Michael Greiwe, der Konrektorin Angela Müller-Muthreich, der ehemaligen Schulleiter und Lehrkräfte der Gemeinschaftshauptschule, der Pressevertreterin der IVZ sowie der in der Kriegsgräberfürsorge tätigen Personen sprach der Konrektor Gunnar Bobbert einleitende Worte. Er berichtete über die Kämpfe, die trotz nahendem Kriegsende im Riesenbecker Berg stattfanden. Die Alliierten marschierten ins Münsterland. Am 31. März 1945 (Karsamstag) erreichen die britischen Einheiten Riesenbeck und vor ihren Augen wurden die Brücke über den Dortmund-Ems-Kanal gesprengt. Die Brücke wurde später im Volksmund „Tommybrücke“ genannt. Nach dem Aufbau einer Behelfsbrücke überquerten dann die alliierten Truppen am 3. April 1945 die Dörenther Klippen und den Riesenberg. Dort wurden Sie von rund 3.000 jungen Soldaten aus der Truppenschule Hannover erwartet, die durch den langen Marsch völlig erschöpft erst am Vorabend eingetroffen waren. Bei den Kämpfen an diesem Tag und den folgenden Tagen starben über 400 Menschen, 130 Gefallene fanden hier auf der Kriegsgräberstätte am Riesenbecker Berg die letzte Ruhe, viele von ihnen waren gerade mal 18 Jahre alt.
 
Alle Menschen sind gleich: drei Schülerinnen der Gemeinschaftshauptschule betreut durch die Lehrerin Sylvia Gang lesen zum Totengedenken Texte und Gedichte vor.


Alle Menschen sind gleich von Stefan Slupetzky.
Alle Menschen sind gleich.
Alle Menschen sind gleich?
Der eine ist doch bettelarm,
der andere ist reich …
Und einer steigt auf einen Berg,
ein anderer schwimmt im Teich …
Und einer wird zum Papst gewählt,
ein anderer wird zum Scheich …
Und einer ist sehr stark und hart,
ein anderer schwach und weich …
Der eine hat es wirklich schwer,
der andere ziemlich leicht …
Der eine rast wie wild dahin,
der andere, der schleicht …
Und einer bläst ins Saxophon
derweil der Geiger streicht …
Und diesem ist schon längst zu viel,
was jenem noch nicht reicht …
Und du bist schokoladenbraun,
und ich bin butterbleich …
Alle Menschen sind gleich?
Ich glaube, mein Schatz, du verstehst das verkehrt:
Alle Menschen sind gleich … viel wert!
 
(Aus dem Vorlesebuch 2021, echomedia BUCHVERLAG)

 
In der anschließenden Grablichteraktion stellen die Schülerinnen und Schüler Grablichter auf die Gräber und lesen die Namen der Gefallen und ihr Alter vor.
 
Im Anschluss erfolgt die stille Kranzniederlegung durch den Schulleiter Michael Greiwe und die stellvertretende Bürgermeisterin Angelika Wedderhoff. Danach treten Mitglieder des Knappenvereins Ibbenbüren in Knappenkluft vor und senken in Ehrfurcht vor den Toten ihre Vereinsfahne.
 
Ansprache der stellvertretenden Bürgermeisterin Angelika Wedderhoff:
 
Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Gäste,
 
am Volkstrauertag gedenken wir derer, die im Krieg ihr Leben ließen, der unschuldigen Opfer von Gewalt und Konflikten. Unsere Herzen sind schwer vor Trauer und Respekt. Lasst uns vereint stehen, ihre Geschichten erzählen und aus der Vergangenheit lernen. Möge der Volkstrauertag uns dazu inspirieren, eine Welt des Friedens und der Menschlichkeit aufzubauen.
 
Erich Hartmann hat einmal gesagt: „Krieg ist ein Ort, an dem junge Menschen die sich gegenseitig nicht kennen und nicht hassen, sich gegenseitig töten durch Entscheidungen von alten Menschen die sich gegenseitig kennen und hassen aber sich gegenseitig nicht töten.“
 
Was aber ist Frieden? Dazu habe ich folgendes gefunden.
Wer selbst keinen inneren Frieden kennt, wird ihn auch in der Begegnung mit anderen Menschen nicht finden. Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst. Dauernder Friede kann nicht durch Drohungen sondern nur durch den ehrlichen Versuch vorbereitet werden, gegenseitiges Vertrauen herzustellen.
 
Was ist Frieden?
Dazu habe ich dieses Zitat gefunden. Wer selbst keinen inneren Frieden kennt, wird ihn auch in der Begegnung mit anderen Menschen nicht finden. Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst. Dauernder Friede kann nicht durch Drohungen sondern nur durch den ehrlichen Versuch vorbereitet werden, gegenseitiges Vertrauen herzustellen.
 
Haben wir diesen inneren Frieden nicht mehr?
Gibt es nur noch die fünf großen Feinde des Friedens die in uns wohnen: nämlich Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz.
Wenn diese Feinde vertrieben werden könnten, würden wir zweifellos ewigen Frieden genießen.“ stellte (Francesco Petrarca, ein italienischer Dichter und Geschichtsschreiber, bereits 1304 – 1374) fest.
 
Wünschen wir uns nicht alle Frieden!
Aber es gibt keinen Frieden in der Welt. Wir sollten mahnen und innehalten.
Dieses Innehalten ist aktueller denn je, wenn wir uns vor Augen halten, in welcher einer Welt wir leben mehr als ein Jahrhundert nach den ersten Schüssen des Ersten Weltkrieges.
 
Der seit Jahren anhaltende blutige Bürgerkrieg in Syrien und das damit verbundene Leid der Menschen vor Ort und auf der Flucht, die Kämpfe auf der Krim, der Krieg in Afghanistan, die Schreckensherrschaft der Terroristen des Islamischen Staats im eigenen Land und bei den unzähligen Anschlägen in vielen Teilen der Welt,
die seit Jahren andauernde Eskalation im Gazastreifen und ganz aktuell der unsägliche Angriff der Hamas der zum Krieg mit Israel geführt hat, das Leid er Zivilbevölkerung dort ist für uns unvorstellbar. Ebenso der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.
 
Es sind nur die hervorstechendsten Beispiele einer Welt, in der nach wie vor viel zu viele Menschen Opfer von Krieg, Terror und Blutvergießen sind. Die Zahl dieser Opfer ist unüberschaubar.
 
Doch eines müssen wir uns ganz klar vor Augen halten:
Hinter dieser unüberschaubaren Zahl, dieser anonymisierten Menge, steckt vor allem eins: Einzelschicksale. Großes Leid.
Jeder einzelne Tote hinterlässt seine Familie und seine Freunde, die um ihn trauern.
Nur in diesem persönlichen Schmerz wird uns die Tragweite des heutigen Tages bewusst.
 
Aus dieser Erkenntnis heraus, aus der Erinnerung an die vielen bedrückenden Schicksale, muss die Botschaft, die für uns alle von diesem Tag ausgeht, lauten:
„Nie wieder!“
 
Diese Lektion müssen wir aus den schrecklichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts und der heutigen Zeit lernen. Hier gilt es, zu gedenken. Hier gilt es zu mahnen.
 
Es ist wichtig, die Namen der Orte zu kennen. Mit ihnen Geschehnisse zu verknüpfen.
Gerade auch aus unserer deutschen Geschichte heraus. Es sind in der Vergangenheit häufig Orte deutscher Verbrechen, die es eben NICHT zu verdrängen gilt.
Ein Name – Auschwitz -ist zum Inbegriff des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden geworden. Doch über eine Karte, die die zahllosen anderen Orte deutscher Kriegsverbrechen, jenseits der Vernichtungslager ,verzeichnet, über eine solche Karte verfügt unser Gedächtnis nicht.
 
Dabei macht es einen Unterschied, die Namen der Orte zu kennen. Einen Unterschied für das Selbstverständnis einer Nation ebenso wie für ein gemeinsames Verständnis als Europäer auf diesem Kontinent. Verstehen wir Geschichte als ein komplexes Gefüge aus unserer Herkunft, aus Orten und Ereignissen unserer Biografien – der eigenen und der unserer Vorfahren – so schaffen wir einen Raum für Erinnerungen, die wir mit vielen Menschen teilen.
 
Hier vor Ort. In Deutschland. In Europa, und nur so, mit dem Nicht-Scheuen und dem Nicht-Verdrängen, mit dem Verknüpfen der Geschichte mit der Gegenwart, werden wir der Frage nachfolgender Generationen „was hat das mit mir zu tun?“ begegnen können.
 
Mit der Erinnerung, dem Gedenken und der Mahnung können wir diese Frage damit beantworten, dass wir menschlichem Leid gegenüber nie gleichgültig sein dürfen.
Dass wir dort einschreiten müssen, wo Mitmenschen unsere Hilfe brauchen.
Dass wir den Frieden nur wahren können, wenn wir aktiv für ihn eintreten.
Egal, ob in der Perspektive der großen Weltpolitik oder im vermeintlich kleineren Rahmen unseres täglichen Lebens in Ibbenbüren.
 
Wenn in unserem Land, in unserer Region Menschen oder Politiker leben, die uns heute wieder glauben machen wollen, dass Menschen, die sich von uns durch ihre Hautfarbe oder ihre Religion unterscheiden, hier unerwünscht seien, dann müssen wir aufstehen und deutlich machen, dass wir aus Überzeugung unser Grundgesetz als Maßstab unseres Handelns sehen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und „Niemand darf wegen seiner Abstammung und seiner Religion verfolgt werden.“
 
Denn eine Lektion müssen wir aus den schrecklichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts und der heutigen Zeit lernen: Rechtzeitig zu erkennen, wenn Bürgerrechte ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wir dürfen menschlichem Leid gegenüber nie gleichgültig sein und müssen dort mutig einschreiten, wo Mitmenschen unsere Hilfe brauchen.
 
Erinnern wir uns. Und nicht nur heute. An Orte. An Geschehnisse. An Namen.
Unsere gemeinsame Erinnerung am Volkstrauertag an die Millionen Toten muss uns die persönliche Aufforderung sein, tagtäglich den Weg des Friedens zu gehen – ein Weg, der lang und beschwerlich, aber darum nicht weniger lohnenswert ist.
 
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.
 
Vielen Dank!
 
Schulleiter Michael Greiwe berichtet anschließend von einem Jungen der mit seinen Freunden in der Hitlerjugend war und der sich, weil seine Freunde das auch gemacht haben zur Wehrmacht, zur SS geht. Also zum Militär und Soldat wird. Der in Russland und im Baltikum gekämpft hat. Dann starben alle Freude an der Front, neben ihm im Schützengraben, im Gefecht. Er hatte nur noch Angst, kämpfte dann ums Überleben. Er kam aus dem Krieg zurück und war traumatisiert. Bis zu seinem 80. Lebensjahr hat er niemanden davon erzählen können. Erst dann ist er hier bei den Kriegsgräbern gewesen, mit seinem Sohn und hat das erste Mal davon berichtet. „Krieg ist keine Lösung, wir müssen miteinander reden“ fordert er alle Anwesenden auf.
 
Vorgetragen wird „Wir machen Frieden“ von Friedl Hofbauer

Wir machen Frieden.
Sag mir, Kind,
was glaubst du, wo der Frieden beginnt?
Wir machen Frieden bei uns zu Haus
und anderswo brennen Häuser aus
und die Funken treiben über die Welt
von einem Land in das nächste Land.
Wie machen wir einen Frieden, der hält?
Wo fängt der Frieden an, mein Kind?
Nicht beim Warten, dass der andre beginnt.
Wir machen Frieden, das sagt sich leicht.
Warten wir nicht, bis der Brand uns erreicht,
warten wir nicht, bis kein Haus mehr steht!
Machen wir Frieden in aller Welt,
damit sie uns nicht in Asche zerfällt!
Machen wir Frieden – bei uns – bei euch!
Machen wir Frieden – jetzt – heute – gleich!
 
(Aus dem Buch „Wir machen Frieden“, Verlag: Jugend & Volk, 1983)

Anschließend verteilen die Schülerinnen die Friedensbotschaft.
Mit diesem Text „Friede“ von Josef Reding endet die Gedenkfeier.

Friede
„Bloß keinen Zank
und keinen Streit!“
Das heißt auf Englisch
ganz einfach
PEACE
und auf Französisch
PAIX
und auf Russisch
MIR
und auf Türkisch
BARIS
und auf Hebräisch
SHALOM
und auf Deutsch
Friede
oder:
„Du komm‘
lass uns
zusammen spielen,
zusammen sprechen,
zusammen singen,
zusammen essen,
zusammen trinken
und zusammen leben,
damit wir
leben.“

 

 

 

 

Menü